Autor: Alexander Disler
In vielen Online-Shops variieren die Preise der angebotenen Produkte / Dienstleistungen je nach Tageszeit, Wochentag, verwendetem Endgerät (des Nutzers), Kunde (Kundenprofil), Herkunft der Anfrage oder der aktuellen Nachfrage nach dem Produkt im entsprechenden Shop. Dies bezeichnet man als Dynamic Pricing.
Die Nutzer und Kunden haben sich dieser Situation noch in den wenigsten Fällen wirklich angepasst, als Konsument ist man sich einer einheitlichen und beständigen Preisbindung gewohnt – so u.a. in regulären klassischen Verkaufsgeschäften (Detailhandel, Fachgeschäft oder Einzelhandel). In diesen werden die Waren mit einem Preisschild, sowohl im entsprechenden Regal oder direkt auf dem Produkt, gekennzeichnet. Damit sind die dort gekauften Produkte für jeden Konsumenten gleich teuer.
Im Internet-Handel ist dies jedoch bereits heutzutage nicht mehr der Fall. Möglicherweise realisieren dies die Konsumenten oder der User am ehesten noch bei Reiseangeboten, wie Flugreisen, Hotelangebote, Mietwagen oder Tickets. Je nach Zeitpunkt (Tageszeit, Wochentag) erhält der Kunde unterschiedliche Preise für die gleiche Reise angeboten. Auch und besonders das verwendete Endgerät wird für die Preisbildung (Angebot) herangezogen, so ist es gut möglich, dass ein User mit dem neusten iPhone höhere Preise bezahlen muss, als jemand, der sich mit einem alten Windows-Laptop die identischen Produkte anschaut.
Wie bereits ausgeführt, gilt die Flugreise-Branche mit den verschiedenen Airline-Anbietern als Vorreiter dieser Bewegung. Je nach Tageszeit, Wochentag und der aktuellen Nachfrage der angefragten Destination ändern sich die angebotenen Preise der Flüge. Dieses Prinzip haben viele Online-Shops und Händler übernommen. So passt z.B. Amazon seine Preise laufend den Gegebenheiten an. Die Konsumenten und Nutzer sollten sich die folgenden Tricks zunutze machen, um bei der dynamischen Preisbildung mithalten zu können:
- die entsprechenden Preise sollten verglichen werden, d.h. die nachgefragten Produkte und Dienstleistungen sollten je nach Portal, Gerät oder Tageszeit überprüft werden, oder man verwendet spezialisierte Preisvergleichs-Portale, wie z.B. preisvergleich, toppreise oder guenstiger.
- die dynamischen Preise werden aufgrund des Endgerätes bestimmt, deshalb sollten unterschiedliche Endgeräte verwendet werden (App <-> Browser oder PC <-> Mac <-> Smartphone)
- der Zeitpunkt (Tageszeit, Wochentag, weit im Voraus) ist mit Bedacht zu wählen, denn oft sind die Preise abends oder am Wochenende höher (wenn viele Nutzer im Web sind) – idealer ist am Morgen und werktags.
- Webshops versuchen, den Nutzer und Konsumenten einem klaren Profil zuzuordnen. Hierbei nutzen die Shops Cookies (die das Bewegungsprofil eines Nutzers im Web erfassen, gesuchte Begriffe oder den Verkauf dokumentieren). So können z.B. die Algorithmen des Web-Shops feststellen, ob sich der Kunde mehrmals für eine bestimmte Destination (bei einer Flugreise) interessiert hat – und dies lässt den Rückschluss zu, dass der Kunde die Destination anfliegen möchte und deshalb auch bereit ist einen höheren Preis zu bezahlen. Um dem Web-Shop (Anbieter) weniger Informationen über seine Absichten zu liefern, sollten regelmässig der Cache-Speicher und alle Cookies gelöscht werden, oder man surft im Inkognito- oder im privaten Modus.
Eine weit bessere Möglichkeit ist komplett abzutauchen und nur noch über einen VPN-Zugang im Netz zu surfen, hierzu kann man eine Erweiterung oder eine Software wie NoScript, CyperGhost, ScriptSafe, Windscribe oder Disconnect installieren. - Sucht man vorab das Produkt oder den Begriff über eine Suchmaschine (wie Google) und landet man via Werbung (Banner-Anzeige) in einem Webshop, erhält man meistens einen tieferen Preis, als wenn man durch eine Direkteingabe im entsprechenden Shop zum Produkt gelangt.
In Europa und in der Schweiz sind dynamische Preisbildungen noch nicht bei allen Webshops angekommen. Es wird jedoch nur eine Frage der Zeit sein, dass diese Möglichkeiten auch von hiesigen Anbietern genutzt werden.
Die dynamische Preisbildung wird aber auch in ganz anderen Bereichen Einzug halten, so werden wir wohl bald auch in Supermärkten mit dauernd wechselnden Preisen oder Aktionen, die nur für wenige Stunden gültig sind, konfrontiert werden.
Wie die NZZ am Sonntag vom 23.10.2016 berichtet hatte, wollen Migros und Coop neu personalisierte Preise einrichten. Denn mit persönlich auf Kunden zugeschnittenen Rabatten können Händler den Ertrag um 8 bis 10 % steigern. Migros (2,8 Mio. Cumulus-Karten) wird dies mit individuellen Rabattbons (Cumulus-Bons) pro Konsumenten bewerkstelligen. Coop (3,2 Mio. Supercards bei rund 3,6 Mio. Haushalten in der Schweiz, Stand Oktober 2016) wird möglicherweise mit einem ähnlichen System von individualisierten Rabattbons nachziehen.
Je nach Produkt und Datenhistorie (Big Data) wird dem Kunden beim Kauf ein Rabatt-Bon vorgeschlagen oder eben nicht. Kunden, die zur gleichen Zeit ein Produkt im Geschäft erwerben, erhalten auf diese Weise unterschiedliche Einkaufspreise. Damit dies möglich ist, werden die bisherigen Einkäufe durch die Detailhändler mit der jeweiligen Kundenkarte im Detail analysiert (Kaufzeitpunkt, Frequenz, Produkteart, Intervall und Produktpreis – Aktion oder Regulär) und durch Algorithmen Wahrscheinlichkeiten von Kaufentscheidungen berechnet. So teilt Migros ihre Cumulus-Mitglieder neu in 154’000 Segmente auf (von ehemals 44 Segmenten), dies ergibt bei 2,8 Mio. Cumulus-Mitgliedern noch durchschnittlich 18 Kunden pro Segment. Beinahe schon eine kundenindividuelle, persönliche Segmentierung. In einigen Jahren wird dies aufgrund der Digitalisierung für den einzelnen individuellen Kunden möglich sein – also die Beratung, die Betreuung, das Angebot (Aktion) und die Erkennung wie im Tante-Emma-Laden, einfach im Gross-Supermarkt. Damit man den Kunden noch besser erkennt und versteht, wird Migros in Zukunft die Daten sowohl aus den Supermärkten, wie auch aus Fitness- und Gesundheitszentren oder Reisebüros heranziehen.
Das «Personal Pricing», das ja bereits bei Airlines oder Hotelbuchungsplattformen Anwendung findet, wird somit auch in diesem Bereich eingeführt werden. Die Preisakzeptanz des Konsumenten pro Produkt/Warengruppe wird so mittels Big Data (verwendetem Endgerät, Einkaufsverhalten oder anderen Datenwerten) und den dahinterstehenden Algorithmen errechnet. Aufgrund dieser Preisakzeptanz erhält der Konsument dann seine individuellen Cumulus-Bons, die je nach Segmentierung für das gleiche Produkt völlig unterschiedlich gross sein können. Dabei wird vor allem der Detailhändler profitieren, denn bei weniger preissensitiven Konsumenten muss der entsprechende Preisrabatt nicht so gross ausfallen, wie bei Konsumenten, die äusserst preissensitiv sind.
Dadurch können die Detailhändler auch die regulären Aktionen reduzieren, da kundenbezogene Aktionen nur bestimmten Gruppen angeboten werden. Dem Kunden wird dadurch der Preisvergleich zwischen den verschiedenen Händlern erschwert, einerseits, weil er die Errechnung seines Rabattbons nicht nachvollziehen kann und andererseits, weil ihm möglicherweise der Rabattbon erst vor Ort im Geschäft auf sein Smartphone übertragen wird. Möchte man als Konsument den Datenschutz der eigenen (Konsum-)Daten gewährleistet haben, bedeutet dies ein Verzicht auf solche Kundenkarten (Kundenbindungsprogramme), die aber auch dazu führen, dass man so als Konsument sicherlich am meisten bezahlt und am wenigsten von Rabatten, Rückerstattungen und Vergütungen profitiert.
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Siehe auch weitere Blog-Beiträge:
– Digitale Branchenentwicklungen: E-Commerce – Online-Handel
Gute Tipps um anonym in Online-Shops zu surfen und einzukaufen. Könntest Du bei Gelegenheit weitere Sicherheitstipps in den Blog stellen – wäre echt toll. Danke.
Macht etwas Angst, wenn dies die Detailhändler wirklich so umsetzen – da fühle ich mich dann aber komplett überwacht und fremdgesteuert.
Merlin