Autor: Alexander Disler
Die Digitalisierung hat das Human Ressource Management bereits stark verändert und wird dieses in den nächsten Jahren noch weiter transformieren. Einerseits können sich Unternehmen 24h/365 Tage mit ihren ausgeschriebenen Stellen und Leistungen im Netz weltweit präsentieren. Zusätzlich kann das Unternehmen auch über die entsprechenden Jobbörsen präsent sein. Dank eigenen Online-Jobbörsen kann sich der interessierte Bewerber einfach und mit nur wenigen Klicks bewerben. Dabei kämpfen besonders grosse Firmen mit einer unglaublichen Menge an Bewerbungen, jeweils spezifisch auf bestimmte Stellen oder Ausschreibungen hin.
Hierfür eignet sich spezielle Software: Data Driven Recruitment (datengetriebene Rekrutierung). Dabei prüft die Software, ob die eingereichten Daten vollständig sind, die Berufsausbildung, die Berufserfahrung, die Soft Kills oder Noten und andere fixierte Kriterien des Bewerbers passen. Die Software filtert damit schon eine beachtliche Anzahl an Bewerbungen heraus, sodass die Personalabteilung nur noch ein Konzentrat an Bewerbung sichten muss. Auch im Vorfeld von Job-Börsen hilft solche Software, da man eine Vorauswahl treffen kann und mit den einzelnen (herausgefilterten) Bewerbern Treffen fixieren kann.
Für Kandidaten bedeutet dies im Umkehrschluss, eine möglichst hohe Anzahl an «gesuchten» Kriterien im Bewerbungsschreiben und Lebenslauf aufzuführen. Die grosse Herausforderung dabei ist, die entsprechenden Kriterien zu realisieren oder aus der Stellenausschreibung zu interpretieren. Bei möglichen (unbekannten) MUST-Kriterien, wie z.B. Nicht älter als 45 Jahre, wird dies schon schwieriger. In einem solchen Fall gibt es nur die Möglichkeit, die Angaben komplett wegzulassen oder zu hoffen, dass alle anderen Kriterien im positiven Sinn für die Persönlichkeit sprechen.
Für die Zukunft kann man davon ausgehen, dass die Politik über kurz oder lang auf diese Missstände reagieren wird, ähnlich wie es bereits heute in den angelsächsischen Ländern praktiziert wird. In diesen Ländern muss bei einer Bewerbung weder eine Altersangabe gemacht werden, noch muss das Geschlecht oder die Religionszugehörigkeit aufgeführt werden.
Stellenvermittler und Personalverantwortliche von Unternehmen suchen heute auf den verschiedensten Plattformen mittels Data Driven Recruitment nach den richtigen Bewerbern, dabei werden Online-Stellenmärkte, Jobbörsen oder die unterschiedlichsten Netzwerke durchforstet. Dabei bieten die beiden grossen Networking-Plattformen XING und LinkedIn bereits eine Fülle von unterschiedlichen Tools (u.a. Talent-Pool Manager) für die Suche nach dem geeigneten Bewerber an.
Die Software vergleicht das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle mit den im Internet (Netz) hinterlegten Daten von potenziellen Bewerbern. So werden z.B. die folgenden Daten geprüft:
- Auf welchen Jobbörsen sind die potenziellen Bewerber vor allem vertreten/hinterlegt?
- Ist der Bewerber bereit, für einen neuen Job umzuziehen?
- Wie wechselwillig ist ein Kandidat?
- Wie viele potenzielle Kandidaten gibt es für die ausgeschriebene Stelle?
- Usw.
Diese Art der Suche lohnt sich vor allem für den benötigten Bedarf an hochspezialisierten Mitarbeitern. Hier muss das Unternehmen selbst aktiv werden, da die wenigsten Spezialisten, wie IT-Spezialisten, Ingenieure, Kältetechniker oder andere gesuchte Berufsbilder, sich von alleine aus als Kandidaten melden. Aber auch die direkte Ansprache bei der Berufsschule, Fachhochschule oder Hochschule kann sich lohnen.
Da sich in diesem Fall das Unternehmen aktiv als Arbeitgeber beim entsprechenden Kandidaten bewirbt, sind die Vorzeichen für das Verhalten der Arbeitgeber auch umgekehrt. So heisst es in diesem Fall, der Arbeitgeber sollte
- rasch und kompetent Antwort geben
- eine nicht vollständige Bewerbung akzeptieren
- Gespräche rasch und auf Augenhöhe durchführen
- die eigenen Stärken und Benefits hervorheben
- die Bewerbung individuell abwickeln und ausserhalb der hinterlegten Prozesse des HR-Departments bearbeiten
Denn der Umworbene, sei es der Kunde oder in diesem Fall der Bewerber, hat keine Lust und Zeit, sich auf Standardabläufe einzulassen. Bewerber, die in einem sogenannten «gesuchten» Berufsbild tätig sind, können sich Ihre Stellen aussuchen. Sie werden sich immer für das Unternehmen entscheiden, das eine höhere Reputation (-> siehe auch nachfolgender Artikel: Rating von Unternehmen), eine höhere Wertschätzung, eine erfolgsabhängige Entlöhnung oder erheblichen Freiraum gewährt.
Rating von Unternehmen: die neue Transparenz
In den nächsten Jahren wird eine neue Offenheit die Arbeitgeber erreichen. Heute kann gemischelt und gemauschelt werden, Führungskräfte eines Unternehmens können heute noch ohne grosse Konsequenzen Fehlentscheidungen, persönliches Fehlverhalten, Willkür oder Mobbing betreiben. Sobald aber die Unternehmen transparenter werden, indem jetzige und ehemalige Mitarbeiter das Unternehmen, die Führungskräfte, die Abläufe oder die Unternehmenskultur bewerten, sind solche Auswüchse weniger möglich oder gar verunmöglicht. Entsprechende Plattformen sind:
http://reviews.greatplacetowork.com/
Dies wird insbesondere bei einer Umkehr des Arbeitsmarktes von entscheidender Bedeutung sein. Aktuell beklagen sich die Arbeitgeber in der Schweiz über einen Mangel an Fachkräften, übersehen aber auch gerne, dass sie diesen Mangel vielfach selbst mitbegründet haben. Ein Mangel an Arbeitskräften besteht vielfach in Berufen, in denen eine Branche oder ein Berufsbild (Verband) selbst zu wenig investiert.
In den meisten Berufsbildern besteht jedoch ein Überangebot und der Arbeitgeber kann von bis zu über 100 Stellenbewerbern auf eine ausgeschriebene Stelle auswählen. Dabei lassen sich Unternehmen gerne von den absoluten Wunschziel-Vorgaben für einen Kandidaten leiten – gerne spricht man vom (natürlich unrealistischen) Idealfall, in dem ein Kandidat x Sprachen spricht, 15 Jahre Erfahrung hat, ein geringes Einkommen wünscht und dabei nicht älter als 25 Jahre alt ist. Die demografische Entwicklung unserer Volkswirtschaft zeigt jedoch in eine andere Richtung. Immer mehr Menschen sind über 45-50 Jahre alt und bekunden bei einem Stellenverlust grösste Schwierigkeiten bei der Suche nach einem neuen Job. Mit der konsequenten Aussortierung solcher Kandidaten im Bewerbungsprozess delegieren die Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung an die Allgemeinheit.
Aber auch Berufseinsteiger, ob mit Berufslehre oder mit einer universitären Ausbildung, ist es nicht einfacher. Um die Personalkosten so tief wie möglich zu halten, erhalten die meisten Abgänger nur befristete (schlecht bezahlte) Praktika (die Begründung ist vielfach, es fehle an Berufserfahrung). Es gibt bereits einige (sehr gut ausgebildete) Studienabgänger, welche zwar seit einigen Jahren arbeiten, aber noch nie eine Festanstellung hatten und sich somit von Praktikum zu Praktikum «hangeln».
Mittels der neu einsehbaren Transparenz von Arbeitgebern (Ratings über Arbeitgeber) und dem sich abzeichnenden Mangel an Arbeitskräften wird sich ein neuer Typus an Unternehmen herausbilden müssen. Die Ratings von Unternehmen durch aktuelle und ehemalige Mitarbeiter werden dazu führen, dass Bewerber eine einfache und gute Möglichkeit haben, eine Vorselektion bei der Suche nach dem künftigen Arbeitgeber zu treffen. Dies analog zu den Hotelratings – sie als Kunden werden für den gleichen Preis immer das besser beurteilte Hotel wählen.
Man kann davon ausgehen, dass entsprechend schlechtbeurteilte Arbeitgeber auch immer schlechtere Kandidatendossiers erhalten werden. Dies wiederum wird sich auf die Leistung des Unternehmens und so letztlich auf die Überlebensfähigkeit des Unternehmens auswirken. So wie zu Beginn bei den Hotelratings werden Unternehmen anfangen, aktiv beste Selbstbeurteilungen zu platzieren – diese erkennt der geneigte Nutzer jedoch sehr bald sehr wohl. Machen Sie auf Kununu oder einer anderen Ratingplattform den Test. Überall, wo alles nur im besten Licht dargestellt wird, werden Sie skeptisch und hinterfragen das entsprechende Rating, insbesondere, wenn daneben Details über das „schlechte“ Verhalten einer Führungsperson z.B. zum Endjahresgespräch im Detail erläutert sind.
Authentische Kommunikation ist für diesen Bereich ebenso notwendig, ansonsten wechselt der neue Spezialist innerhalb der Probezeit zum Mitbewerber.